Ernährungssouveränität

Was haben FoodCoops mit Ernährungssouveränität zu tun?

Ernährungssouveränität ist das Recht von Menschen, über die Art und Weise der Produktion, der Verteilung und der Konsumtion von Lebensmitteln selbst zu bestimmen. Es geht um die Eröffnung eines umfassenden demokratischen Prozesses in Bezug auf diese entscheidenden Zukunftsfragen.

Das Konzept wurde im Jahr 1996 von der weltweiten Kleinbäuerinnen und -bauern-Organisation La Vía Campesina entwickelt. Es versucht, Gestaltungsspielräume für eine ökologisch nachhaltige und sozial gerechte Zukunft anzueignen und dafür immer mehr Menschen einzubeziehen, um damit einem neuen System im wahrsten Sinne des Wortes „den Boden zu bereiten“. Um das zu erreichen, braucht es nicht einfach mehr Nahrungsmittel. Es braucht ein anderes Lebensmittelsystem, eine andere Form der Verteilung, die nicht den Großteil der Ressourcen dafür verwendet, möglichst viel in Richtung „kaufkräftige Nachfrage“ zu befördern. Es braucht ein Lebensmittelsystem, das nicht die Zerstörung kleinbäuerlicher, nachhaltiger Landwirtschaft und damit Armut und Hunger laufend produziert. Es braucht eine Landwirtschaft, die vielfältig, lokal angepasst und an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet ist.

Mit der globalen Bewegung für Ernährungssouveränität ist ein Prozess der kontinuierlichen Ausarbeitung und Weiterentwicklung des Konzepts verbunden. Es geht darum, auf einer partizipativen Basis das Lebensmittelsystem neu zu denken und neu zu gestalten. Dieser Prozess ist zentral. Ernährungssouveränität ist kein fertiges Modell für die Welt. Es ist nicht die Sache einer „Regierung“, die eine Definition vorlegt, wie all das ablaufen soll. Zentral ist vielmehr die Tatsache, dass wir uns darin einbringen und uns daran beteiligen.

2007 trafen sich bei dem Nyéléni-Forum in Mali über 500 Bäuer*innen, Fischer*innen, Aktivist*innen und Wissenschafter*innen, um die Bewegung für Ernährungssouveränität weiterzuentwickeln. Im Anschluss befinden sich die sechs Prinzipien der Ernährungssouveränität, wie sie beim Nyéléni-Forum entwickelt wurden.

In Österreich laufen seit Anfang 2013 Vorbereitungen für Nyeleni Austria 2014, ein österreichisches Forum für Ernährungssouveränität. Ziel ist es, nicht nur ein Forum zu veranstalten, sondern auch die Bewegung für Ernährungssouveränität zu stärken und ihre AkteurInnen besser zu vernetzen. Aktuelle Informationen und Infos zum Mitmachen findet ihr auf www.ernährungssouveränität.at

Sechs Prinzipien der Ernährungssouveränität

Ernährungssouveränität Wofür steht Ernährungssouveränität Wofür steht sie nicht?
1. Vorrang für dieErnährungder Bevölkerung Ernährungssouveränität stellt das Recht auf ausreichende, gesunde, kulturell adäquate Ernährung für alle Individuen, Völker und Gemeinschaften, inklusive jener, die an Hunger leiden, in besetzten Gebieten und Konfliktzonen leben oder marginalisiert sind, in den Mittelpunkt der Ernährungs-, Landwirtschafts-, Viehzucht- und Fischereipolitik. Sie weist die Behauptung der Lebensmittelindustrie zurück, dass Lebensmittel eine Ware wie jede andere sind.
2. Wertschätzung derLebensmittel-hersteller*innen Ernährungssouveränität würdigt und unterstützt die Praktiken von Frauen und Männern, Bäuerinnen und Bauern und Hirt*innen, Fischer*innen, Waldbewohner*innen, Indigenen und Landarbeiter*innen sowie Migrant*innen, die kultivieren, wachsen lassen, sammeln und Lebensmittel herstellen, und respektiert deren Rechte. Sie weist jegliche Politiken, Aktionen und Programme zurück, die die Produzent*innen entwerten, ihre Subsistenzmittel bedrohen und zu ihrem Verschwinden beitragen.
3. Etablierung vonlokalen Produktions-systemen Ernährungssouveränität nähert die Produzent*innen und Konsument*innen einander wieder an und stellt sie ins Zentrum der Entscheidungsprozesse über Ernährungsfragen. Auf den lokalen Märkten schützt sie die Produzent*innen vor Dumping durch Importe und durch Nahrungsmittelhilfen, sie schützt die Konsument*innen vor ungesunder und degenerierter Nahrung, vor unangemessener Lebensmittelhilfe und vor Lebensmitteln, die mit GVO (Gentechnisch Veränderte Organismen) verseucht sind. Sie erlaubt es, sich gegen Institutionen, Abkommen und Praktiken zu wehren, die nicht nachhaltig sind und ungerechten internationalen Handel vorantreiben bzw. davon abhängen und transnationale Konzerne mit beträchtlicher und ungerechtfertigter Macht ausstatten.
4. Stärkung der lokalenKontrolle Ernährungssouveränität legt die Verwaltung des Landes, des Bodens, der Weiden, des Wassers, des Saatguts, der Tiere und des Fischfangs in die Hände der lokalen Produzent*innen und respektiert ihre Rechte. Sie können sie benutzen und sie nach sozial und ökologisch nachhaltigen Kriterien aufteilen, die die Bewahrung der Vielfalt erlauben. Ernährungssouveränität erkennt die Tatsache an, dass lokale Territorien nicht immer die geopolitischen Grenzen respektieren, und erlaubt den lokalen Gemeinschaften, ihre Territorien zu bewohnen und zu nutzen. Sie unterstützt die Abstimmung und das kollektive Handeln von Produzent*innen unterschiedlicher Regionen sowie von unterschiedlichen Sektoren und trägt damit zu einer Lösung von internen Konflikten bzw. von Konflikten mit lokalen oder nationalen Autoritäten bei. Sie weist die Privatisierung von natürlichen Ressourcen auf das Schärfste zurück, sei es durch Gesetze, durch Handelsabkommen oder durch intellektuelle Eigentumsrechte.
5. Der Aufbau vonWissen und Fertigkeiten Ernährungssouveränität baut auf dem Wissen und den Fertigkeiten von lokalen Produzent*innen und lokalen Organisationen auf, welche Produktionssysteme und lokale Kulturen entwickeln sowie erzeugen. Deswegen ermöglicht sie die Entwicklung von angemessenen Forschungsprogrammen, die zukünftige Generationen nicht bedrohen. Sie weist alle Technologien zurück, die die Produzent*innen oder zukünftige Generationen unterwerfen, bedrohen oder verseuchen, z.B. die Gentechnik.
6. Arbeit mit der

Natur

Ernährungssouveränität nützt die Umweltressourcen mittels Praktiken und Produktionsmethoden, die agrarökologisch und diversifiziert sind, wenig Inputs verbrauchen, die Ökosysteme optimieren sowie die Resilienz und die Anpassung speziell an den Klimawandel verbessern. Sie versucht, die Erde zu heilen, damit die Erde uns heilen kann. Sie verweigert Praktiken, die Ökosysteme schädigen, wie Monokulturen und intensive Tierhaltung, welche enorm viel Energie verbrauchen, zerstörerische Fischfangpraktiken und andere industrielle Produktionsmethoden, die die Umwelt zerstören und zum Klimawandel beitragen.